Der Drachen von Schloß Hohenegg:
Auf Hohenegg wohnten einst drei Schwestern, die denselben Mann liebten. Dieser war ausgezogen, den fürchterlichen Drachen zu töten, der die Umgebung mit seinen Untaten tyrannisierte. Die Schwestern vereinbarten, dass diejenige von ihnen den Ritter haben sollte, die bis zu seiner Wiederkehr am meisten Garn gesponnen hatte.
Nun hub ein emsiges Spinnen an, Tag und Nacht surrten die Spinnräder und die Mädchen sangen dazu. Als dann die Rückkehr des Ritters nahte, bemerkten sie, dass die genau gleichviel gesponnen hatten. Und da die Schwestern sich gegenseitig sehr lieb hatten, wollte keine dem Glück der anderen im Weg stehen und so stürzten sich alle drei nacheinander in den Schüttentobel hinab in den Tod.
Als der Ritter dann am nächsten Tag kam, fand er die lieblichen Mädchen nicht mehr, sondern entdeckte nur noch ihre drei Leichen in der Tiefe. Aus lauter Unglück verlor er den Verstand und stürzte sich ebenfalls in den Abgrund hinab.
Als dies der Drache, den er bekämpft hatte, erfuhr, kam der und nahm die Burg in Besitz. Besonders der Schatz im Keller hatte es ihm angetan und ihn bewachte er mit besonderem Eifer. Mehrere Leute, die ihn zu Gesicht bekamen, wurden allein von seinem schrecklichen Anblick so krank, dass sie bald darauf starben. Und einige junge Frauen, die ihn sahen, brachten danach anstatt Kinder kleine Drachen zu Welt.
Aber eines Tages kam dann endlich doch ein Ritter, der ihn besiegte. Und wie die Sage erzählte, bekam er als Belohnung eine der drei Schwestern zur Frau, die nicht zu Tode gestürzt war, sondern von einem Baum aufgefangen worden war und sich im Schloss verborgen gehalten hatte.
Quelle:
Hermann Endrös, Alfred Weitnauer
„Allgäuer Sagen“
Frankfurt und Leipzig 2014, Nr. 230 S. 79